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Pandemie 1679

Das Seuchenjahr 1679 aus heutiger Sicht

ein Bericht von Alois Kernbauer

Die Pest

Am 20. Juni 1894 gelang dem gebürtigen Schweizer Alexandre Émile Jean Yersin (1863-1943), der die französische Staatsbürgerschaft annahm, die Isolierung des Pesterregers aus befallenen Lymphknoten (Bubonen) von Pesttoten und die Übertragung der Krankheit auf Mäuse und Meerschweinchen. 

Symptome der Krankheit

  • Fieber
  • Kältegefühl
  • Schmerzlicher Bubo
  • Kopfschmerzen
  • Abgeschlafftsein
  • Appetitlosigkeit
  • Erbrechen
  • Bauchschmerzen
  • Husten
  • Schmerzen in der Brust
  • Hautausschlag

Das Rätsel über die Ursache der Pest hatte die Menschen seit der Antike beschäftigt. Da sie in bestimmten Gegenden endemisch war, sah man in Klima, Witterung und Bodenbeschaffenheit eine wesentliche Voraussetzung für die Verbreitung der Krankheit. Dieses Erklärungsmodell bestand seit der Zeit des Hippokrates und wurde bis in das 19. Jahrhundert in variierter Form immer wieder bemüht, bis endlich die aufkommende Bakteriologie und die Virologie Licht in die Materie brachten. - Aber auch bestimmte Gestirnskonstellationen wurden bis weit in die Neuzeit als maßgeblich für den Ausbruch einer Seuche angesehen.  

Schlimme Vorzeichen: Abnormale Witterung und Gestirnkonstellation

Der Überblick über die ungewöhnliche Witterung der Jahre vor 1679 in Europa verhieß für die Zeitgenossen nichts Gutes.

Am 6. Februar 1678 fiel bei Frankfurt am Main eine „Feuermasse“ vom Himmel, die eine Viertelstunde am Boden dampfte.

Im August erschien ein Komet, am 10. August entstand die Konjunktion des Saturns mit dem Mars, was von Astrologen als „sichere Mutter“ der Pest angesehen wurde, „weil der eine Planet die boshaften Dünste im Grunde der Erde versammelt, der andere sie in die Luft erhebt.“

Der Sommer 1678 war in Zentraleuropa sehr heiß und feucht, schwere Regengüsse verursachten Überschwemmungen.

Im Herbst 1678 gab es in Wien dichte, „stinkende“ Nebel. – In Nieder- und Oberösterreich brach an einzelnen Orten eine Viehseuche aus, wobei die großen Wassermengen Tierkadaver in die Donau schwemmten und nach Ungarn transportierten, von wo die Pest in die westlichen Länder des Habsburgerreiches kam. Man sah verendete Tiere, ganz allgemein Unrat, als eine der wahrscheinlichen Pestursachen an.

Im November 1678 herrschte in den an die Steiermark und an Niederösterreich grenzenden Komitaten bereits die Pest.

Die „Pestwitterung“ des Jahres 1679 in Niederösterreich und in der Steiermark

Der Frühling war unbeständig, worauf eine „unerträgliche Hitze“ folgte, „zuweilen Regen, worauf es aber noch heißer wurde.“

15. April 1679: „Unheilbringende Mondfinsternis“, wie man sie schon 1478 und 1574 beobachtet hatte, als sie auch unter dem „Zeichen des Wassermannes, der Waage und des Skorpions vor sich ging“, was „die Pest verursachen“ würde.

Sommer 1679: Drei Monate lang herrschte vollkommene Windstille. Eine „eigentümlich, fäulnisförderliche Beschaffenheit der Luft machte die Gartenfrüchte schlapp und welk, das Obst verschrumpft und geschmacklos. Die Schwämme wucherten, Kröten gab es in Unzahl, die Lerchen, Österreichs Lieblingsvögel, zogen ab,“ die Singvögel, allen voran die in Käfigen gehaltenen, verendeten. 

Um den 20. Oktober 1679 war es in Wien so warm, dass „es einem, der zum Fenster hinausschaute, vorkam, als stecke er den Kopf in einen Ofen, und dies dauerte bis lange in die Nacht hinein. Abends sah man in der Luft blaue und feurige Kugeln.“

Grenzsperren ab Spätherbst 1678

Bei Radkersburg wurde die Grenze im November 1678 gesperrt, was aber kaum beachtet wurde. Im Dezember 1678 erließ die Regierung ein Verbot jeglichen Übertritts über die Mur zwischen Radkersburg und Luttenberg, wovon Fahrten zu Mühlen ausgenommen waren. Die Grenze zu Ungarn wurde bis Friedberg gesperrt, doch herrschte in Marburg, Windischgrätz und Cilli bereits die Pest.

Auch in der Leopoldstadt in Wien gab es vereinzelt Pestfälle, denen man aber keine Beachtung schenkte.

Anfängliche Unterschätzung der Gefahr

Die Pest war in den vorangegangenen 30 Jahren an einzelnen Orten Mitteleuropas ausgebrochen, blieb örtlich begrenzt und breitete sich nicht weiter aus.

Als in Wien vermehrt Pestfälle in der Leopoldstadt auftraten, wohin die Krankheit vermutlich von Kleinhändlern aus Ungarn eingeschleppt worden war, diskutierte das Ärztekonsilium Wiens noch im März 1679 über deren Art: Handelte es sich um die Pest oder um ein „hitziges Fieber“? Zu diesem Zeitpunkt waren in den an der Donau gelegenen Vorstädten bereits 500 Personen gestorben.

Im Juni 1679 erlangte die Krankheit ein nicht mehr zu kontrollierendes Ausmaß. In den Pestlazaretten starben die Ärzte, Bader, Krankenwärter, „Siechknechte“, auch Totengräber wurden erfasst. Die Pflegekräfte verweigerten selbst bei überhöhter Bezahlung den Dienst, sodass man sich gezwungen sah, inhaftierte Strafgefangene zum Krankendienst zu zwingen.

Wem immer es möglich war, verließ eilends die Stadt und trug damit zur weiteren Verbreitung der Pest bei. – Die Pest wütete zur gleichen Zeit im ganzen süddeutschen Raum, in Sachsen, in Brandenburg/Preußen und Böhmen. In Wien und den Vorstädten starben bis Mitte November nach zeitgenössischen Angaben 122.849 Menschen. Die Zahl dürfte jedoch überhöht sein.

Die Grazer Regierungsstellen reagierten mit großer Verspätung. Erst am 17. Juli 1679 erging an die Markt- und Stadtgemeinden, die an der Hauptverkehrsader zwischen Wien und Graz lagen, der Befehl, Fremde nur nach Befragung und gegen Vorzeigen eines Pestpasses einzulassen. Solche Pässe wurden von den Behörden ausgestellt und bescheinigten die Gesundheit. Man ließ sich mit der Umsetzung der Anordnungen allerdings Zeit, obgleich das Ausmaß der Geschehnisse in Wien bekannt war.

Am 8. August waren in Mürzzuschlag immer noch keine Wachen aufgestellt, doch ging man nunmehr daran, Schranken zu errichten, Reisende, Händler und Wallfahrer nach Mariazell, die besonders zahlreich aus Ungarn kamen, anzuhalten und zu befragen.

Im Wallfahrtsort Mariazell verbreitete sich die Krankheit infolge einer Bittwallfahrt des kaiserlichen Gefolges ab dem 17. August.

Der Kaiserhof übersiedelte von Wien nach Prag. Daran mussten sich auch Kutscher aus Graz beteiligen, die nach ihrer Rückkehr 40 Tage in Quarantäne zu bleiben hatten.

Ende August wurden alle Übergänge von der Steiermark nach Niederösterreich, vor allem über den Semmering und den Wechsel, gesperrt und bewacht. Die Verkehrsverbindung zu Salzburg wurde durch eine am 19. Oktober 1679 errichtete Sperre des Mandlingpasses unterbunden.

In Radkersburg und im Süden des Herzogtums stieg die Zahl der Pesttoten rasant an. in Cilli starben vom 19. September bis 2. Dezember 74 Personen. – Die Stadt Hartberg ließ frühzeitig keinen Fremden mehr in die Stadt und hielt die Sperre bis März 1680 aufrecht, doch wurde die Krankheit im August über Schafwolle eingeschleppt. Bis Ende November 1679 starben 148 Menschen.

Graz: Im Spätsommer 1679 kam ein fremder, pestkranker Flößer nach Graz und nächtigte in einem Gasthaus in der Prankergasse. Der Wirt, dessen Bruder und Schwägerin starben binnen weniger Tage. In der Folge traten in der Murvorstadt Pestfälle auf, im Frühjahr 1680 trat sie erneut und diesmal weitaus stärker auf und forderte insgesamt 3.000 Tote.

Rigorose Maßnahmen der Regierung ab Herbst 1679

Regierungserlass

16. Oktober 1679 – Kaiserliches Patent wegen der Kontagions-Krankheit an alle geistlichen und weltlichen Behörden, Landgerichte, Burgfriedsherrschaften, Grundobrigkeiten. Dies erging an alle geistlichen und weltlichen Behörden und enthielt detaillierte Instruktionen. Die Bekanntmachung erfolgte auch über ein Plakat, das 84 cm hoch und 60 cm breit war.

Das Patent orientierte sich am wissenschaftlichen Standard der Zeit. Die „Wiener Pestordnung“ aus der Feder des Leibarztes und Medizinprofessors Johann Wilhelm Mannagetta, der die Funktion des obersten Sanitätsbeamten ausgeübt hatte, in der von Paul de Sorbait redigierten Form, enthielt zahlreiche Vorschriften und gibt den Stand der medizinischen Kenntnisse über die Pest wieder. 

Darin werden alle wesentlichen Fragen behandelt, so etwa:

1. Die damalige Sicht der Krankheit

2. Die Krankheitssymptome 

3. Die Frage nach einem wirksamen Medikament 

4. Die möglichen Ursachen der Pest 

5. Verhaltensregeln für die Ärzteschaft 

6. Vorgaben für die Einrichtung von Pestlazaretten

7. Die Anweisung, Kranke sofort zu isolieren

8. Isolierung und Social Distancing der Gesunden, mit denen der Kranke in Kontakt war

9. Allgemeine Verhaltensregeln für die Bevölkerung

10. Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung der weiteren Verbreitung

11. Regelung der Finanzierung des Mehraufwandes der Sanitätsorganisation: Kosten der Medikamente, Betrieb des Pestlazaretts, Honorar der Ärzte etc.

In größeren Städten wurden Pestlazarette eingerichtet. In Graz entstanden in Waltendorf und an anderen Orten außerhalb der Stadtmauern Pesthäuser.

Die Ärzte trugen Schutzanzüge mit einer markanten Nase im Gesichtsschutz, in dem wohlriechende Kräuter zur Reinigung der Atemluft untergebracht waren. Die Ärzteschaft war zur Behandlung der Patienten ausdrücklich verpflichtet.

Die Stadt- und Marktbehörden stellten Gesundheitspässe für Reisende aus, doch ließen die Städte und Märkte alsbald auch gegen Vorzeigen eines solchen Ausweises niemanden mehr ein.

Im Jahre 1679 erschien in Graz ein Ratgeber Vnterſchidliche Heilsame Mittl. So zur Zeit der Infektion vnd Pest Nutzlich mögen angewendet, vnd gebraucht werden. …“ im Druck. Diese Darstellung mit ihren zahlreichen Anweisungen zum Verhalten enthält Rezepte und gibt einen anschaulichen detaillierten und aus heutiger Sicht unterhaltsamen Einblick in die Lebenswelt des Jahres 1679, betreffend Schutzmaßnahmen, Desinfektion, Heilmittel, Ernährungsweise etc. 

Manche Städte führten eine Sterbestatistik der Pesttoten nach Kalendertagen, um den Einfluss der Umwelt und der Jahreszeit genauer zu verfolgen.

Weit verbreitet waren die in Pestzeiten häufig gedruckten Pestschutzblätter zur Anrufung der Schutzheiligen gegen die Pest, vor allem des Hl. Sebastian, des Hl. Rochus und des Hl. Dionysius. 

Zeitgenössische Darstellungen hielten das dramatische Geschehen fest, etwa im Falle der Pestwelle in London 1665. 

London führte 1665 schon eine genaue Statistik über die Bestattungen. 

Den Zeitgenossen fiel auf, dass die Mortalitätsrate ab Ende August rapid anzusteigen pflegte, und führte dies auf die Veränderungen der Witterungen im Wechsel der Jahreszeiten zurück. Man wusste nicht um den Überträgermechanismus und die Rolle des Pestflohs. 

Sanktionen

Verstöße gegen die Anordnung waren mit Sanktionen, inklusive Todesstrafe, belegt.

Staatliche Überwachung der Maßnahmen

September 1679: Einrichtung einer Oberkommission in Graz. Bestellung eigener Infektionskommissare aus dem Adel in den einzelnen Vierteln des Herzogtums Steiermark.

Wachen

An entscheidenden Verkehrspunkten, Mautstellen, Stadttoren etc. wurden Wachen aufgestellt. Auch Bauern wurden zum Wachdienst gegen Entlohnung herangezogen. In Gröbming erhielten sie täglich 10 Kreuzer.

Rigorose dirigistische Maßnahmen 

Verbot der Flößerei auf der Mur und des Warenverkehrs zu Land.

Die vollständige Isolierung infizierter Orte und die Straßensperren führten mancherorts zu Lebensmittelmangel (Hartberg, Pettau/Ptuj, Radkersburg, Marburg/Maribor, Vordernberg und 1680 in Graz) und Preissteigerungen. Graz blieb 1679 davon verschont, weil die Regierung in letzter Minute eine entsprechend große Menge an Lebensmitteln in die Stadt hatte bringen lassen. – Die Regierung ordnete fallweise beschränkte Freigabe des Transports von Lebensmitteln unter strengen Auflagen an.

Abstandsregeln bei unvermeidlichen Begegnungen: Der Käufer hatte bei der Bezahlung die Geldmünzen erst in Essig zu waschen. Erst danach durften sie überreicht werden.

Häuser, in denen Pestfälle aufgetreten waren, wurden zur Warnung mit einem Pestkreuz markiert.

Ausgestorbene Häuser auf dem Land durften von der Behörde ausnahmsweise angezündet werden. In Edelschrott verbreitete ein Leichnam in einem ausgestorbenen Bauernhaus einen solchen Gestank, dass es niemand betrat. Die Sanitätsbehörde ließ das Haus samt Leiche schließlich niederbrennen.

Einstellung des Unterrichts

Die Universität wurde zuerst geschlossen, nachdem den in den Vorstädten wohnenden Studenten angesichts der versperrten Stadttore schon zuvor der Zutritt verwehrt worden war. Es folgten die vom Jesuitenorden im Herzogtum unterhaltenen Gymnasien und die sechs Lateinschulen und schließlich die deutschen Schulen.

Die in Graz in „Heimen“ (kaiserliches Konvikt und Ferdinandeum) lebenden Studenten wurden in den Außenstellen des Jesuitenordens am Rosenberg, in St. Leonhard, in Leuzendorf und Langwiesen und auch auf den Schlössern Herbersdorf, Thalberg und Söding untergebracht.

Aus Furcht vor der Pest begann man im Winter 1678/79 nach Weihnachten erst verspätet mit dem Unterricht. Im Herbst 1679 war die Lehre ausgesetzt.

Im Zuge der zweiten Welle wurde der Unterricht an den Schulen, am Gymnasium und an der Universität am 10. März 1680 eingestellt, die Jesuitenprofessoren setzten den Unterricht in den Exposituren allerdings fort. Man blieb nach der Wiederaufnahme des Unterrichts vorsichtig, an der Universität sorgte eine Kommission für Maßnahmen zum Fernhalten der Pest. Im Jahr 1681 fand keine Verleihung akademischer Grade statt.

Verbot von Menschenansammlungen

Den Klöstern wurde untersagt, die an gewissen Tagen des Jahres üblichen Verteilungen von Almosen, Fleisch, Brot, Mehl und anderen Lebensmitteln durchzuführen, „weil sich dabei allzeit eine große Anzahl der Armen von unterschiedlichen Orten einzufinden pflegeten“, wodurch die Infektion leicht verbreitet werden könnte, zumal „durch die Bettler bereits unterschiedliche Orte angesteckt worden.“ - Zu solchen Lebensmittelverteilungen strömten beispielsweise im Nonnenstift Göß 6.000-8.000 Arme. Kirchtage, Wallfahrten, Jahrmärkte waren verboten.

Verbot von Gottesdiensten

Die Abhaltung von Gottesdiensten war untersagt, doch hielten einzelne Priester im Freien an einer erhöhten Stelle Messfeiern, wobei die Teilnehmer Abstand zu halten hatten.

Eigene Priester wurden bestimmt, den Pestkranken die Letzten Sakramente zu spenden. Sie durften zu keinem Gesunden Kontakt haben und vermieden beim Spenden des Sakraments jeglichen Kontakt. Die Hostie wurde auf einem langstieligen Silberlöffel überreicht.

Allerdings: Feierliche Prozessionen waren in den Städten erlaubt, weil man die Gefahr der Ansteckung im Freien als gering erachtete.

Vorschriften für Handwerker und Gewerbetreibende

Fleischhauer – Rindfleisch durfte nur unter Einhaltung bestimmter Regeln verarbeitet werden, der Verkauf von Schweinefleisch war verboten. Das Rindfleisch musste ausgekühlt sein, weil man die Ansteckungsgefahr unmittelbar nach der Schlachtung als wesentlich höher einschätzte. Die „Grieben“ (gröberen Teile) aus dem Unschlitt, durften nicht gekocht werden, „denn es gibt ein abscheuliches Gestank und hilft zur Infektion.“

Bäcker – durften bei Todesstrafe kein warmes, nur abgekühltes Brot ausgeben oder verkaufen, denn „es zieht nichts mehr das Gift an sich als das warme Brot.“

Schneider – durften nur Kleider und Stoffe bearbeiten, von denen sie sicher waren, dass sie nicht infiziert waren.

Kürschner und Weißgeber – durften ihr Handwerk gar nicht ausüben.

Seifensieder und Lichtzieher – durften in der Stadt kein Unschlitt (als Ausgangsmaterial für die Herstellung) kochen.

Barbiere – durften nur eine begrenzte Anzahl von Personen gleichzeitig einlassen.

Tischler – mussten einen Vorrat an Särgen aus dünnem Holz anfertigen. Die Preise waren obrigkeitlich festgesetzt.

Gastwirte – Branntweinschenken und Badstuben wurden gänzlich gesperrt. Weinkeller und Wirtshäuser durften nur begrenzt offenhalten. Sie durften nur Reisende beherbergen. Diese mussten drei Tage in einem eigenen Zimmer isoliert verbringen, ehe sie sich wieder frei bewegen durften.

Garköche - Speisen wurden in Gefäßen verkauft und mussten außerhalb der Wirtschaft verzehrt werden.

Risikopatienten

Die Pest grassierte vornehmlich unter Erwachsenen, Kinder und ältere Menschen blieben oftmals verschont.

Waisenkinder

In manchen Häusern überlebten bloß Kinder, die infolge der allgemeinen Kontaktvermeidung oftmals erst nach längerer Zeit entdeckt und in Pflege genommen wurden.

Plünderungen

Häuser, in denen alle Bewohner gestorben waren, wurden vor allem in der Obersteiermark von Banden systematisch geplündert. In Leoben räumte Abraham Steinhauer 27 Häuser aus und machte sich über die Gerichte lustig, weil ihn aus Furcht vor Ansteckung niemand festzunehmen wagte.

Da die Plünderungen vor allem in der vergleichsweise dünn besiedelten Obersteiermark ein starkes Ausmaß erreichten, ordnete die Regierung für solche Personen das Standgericht an.

Pest-Parties

Vereinzelt fanden nach Ausbruch der Seuche ekstatische Feiern statt, wogegen die herrschaftlichen Gerichtsverwalter einschritten.

Überlieferte Zahl der Pesttoten

Graz 3.000 (inklusive 1680)
Wien 70.000
Prag 15.000

Der „liebe Augustin“ (Markus Augustin, gest. 1685) sah Humor und Optimismus als bestes Mittel.

Abraham a Sancta Clara OAD, eigentlich Johann Ulrich Megerle (1644-1709), verarbeitete das Zeitgeschehen in den elf Monaten seiner Isolation zu seinem ersten großen Werk „Merck’s Wienn“, das er unter das Thema „Memento mori“ stellte, an die Vergänglichkeit und die eigene Sterblichkeit erinnerte und den Tod als Allegorie in der Tradition des Totentanzes erscheinen ließ. Ab 1682 war er einige Zeit in Graz tätig. Er erzielte in seinen auf die Lebenssituation der Zuhörer abgestimmten Predigten eine große Breitenwirkung.

Beobachtungen zur Übertragung der Krankheit

Gegenstände: In die Steiermark importierte Schafwolle trug maßgeblich zur Verbreitung der Pest bei. - In Wien warf ein Mann einem Armen ein Geldstück zu, wobei ihm ein Brief entfiel. Der Arme hob ihn auf und überreichte ihn und infizierte über den Gegenstand den Mann, der an der Pest starb.

Tiere: Hunde und Katzen fungierten als Überträger der Krankheit. - In Käfigen gehaltene Kanarienvögel wurden infiziert und verendeten.

Desinfektion

Zur Desinfektion wurde hauptsächlich Essig verwendet. Ein findiger Hersteller nannte sein Produkt „Rauberessig“, der von den in menschenleere Pesthäuser eindringenden Dieben verwendet würde und dem besondere Wirksamkeit zukäme.

„Lockerungen“

Die Rücknahme der Maßnahmen erfolgte an den Orten zu verschiedenen Zeitpunkten. Im Jahr 1679 war in Wien ab 15. November, dem Fest des Landespatrons Hl. Leopold, Geschäftstätigkeit in eingeschränkter Form gestattet.

Abstandsregeln

Unterricht

Um die Jahreswende 1679/80 begann an der Universität und an den Grazer Lateinschulen wieder der Unterricht, allerdings in stark eingeschränkter Form mit strengen Regeln zur Einhaltung eines Abstandes: Die Lehrer sollten „nicht zu nahe bei den Schülern stehen, damit sie ihren Atem nicht auffangen.“ – Die zweite Pestwelle des Jahres 1680 führte erneut zu Unterbrechungen.

Lockerung der Anwesenheitspflicht: Sollten furchtsame Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, hatte dies keinerlei Konsequenzen.

Gottesdienste

Kirchen waren offen und wurden öfter geräuchert. Die Weihwasserbecken wurden verdeckt. Gottesdienste und Predigten sollten nach Möglichkeit im Freien stattfinden. Beim Beichthören und beim Überreichen der Kommunion waren Abstände und möglichst große Vorsicht geboten.

Am 23. Februar 1681 wurde in Graz eine große Dankprozession anlässlich des Erlöschens der Pest abgehalten.

Kosten

Die Kosten für die organisatorischen Maßnahmen des Jahres 1679 wurden von den steirischen Landständen (1.500 fl.) und vom Kaiser (3.000 fl.) bestritten.

Die Gesamtkosten aller Maßnahmen, die zwischen 1646 und 1679 von den Landständen ergriffen worden waren, beliefen sich insgesamt auf 118.013 fl. 1 ß, 3 d. – Das Jahresbudget der Habsburgermonarchie lag 1679 bei ungefähr 9 Millionen Gulden (fl.). Ein Staatsbeamter in gehobener Stellung hatte mit 100 fl. Jahresgehalt sein bequemes Auskommen.

Verschonte Gebiete

Die Obersteiermark kam einigermaßen glimpflich davon, ausgenommen einige Ortschaften, die an den Durchzugsstraßen lagen.

Die Stadt Leoben blieb 1680 von der Krankheit verschont.

Eisenerz: Die Knappen mieden auf ihrem Weg zur Arbeit die Straße und wählten Steige und abgelegene Wege.

Kapfenberg hatte rasch mit Absperrmaßnahmen reagiert und hatte keine Toten zu beklagen.

Das Chorherrenstift Vorau hatte frühzeitig mit Absperrungsmaßnahmen begonnen, sodass es selbst und die gesamte Umgebung verschont blieben.

Besonders stark betroffene Gebiete

  • Graz
  • Radkersburg
  • Cilli/Celje
  • Marburg/Maribor
  • Windischgrätz/Slovenj Gradec
  • Haus im Ennstal
  • Judenburg
  • St. Michael bei Leoben
  • Trofaiach
  • Vordernberg

Die Bevölkerung der dichter besiedelten „Untersteiermark“ des Herzogtums war generell stark in Mitleidenschaft gezogen worden. (Karte Innerösterreich in Großansicht)

Wirtschaftliche und soziale Folgen

Nach großen Epidemien entlud sich die auf der gesamten Bevölkerung lastende psychische Anspannung häufig in Massenbewegungen, fallweise sogar in sozialen Unruhen, die von den negativen Auswirkungen der Epidemie auf die Wirtschaft angeheizt werden konnten. All dies unterblieb nach 1679, weil es in den Folgejahren zu neuen Ausbrüchen der Seuche kam, die, etwa in Graz 1680, stärker verliefen als im vorangegangenen Jahr. Möglicherweise trug auch der im März 1679 von Kaiser Leopold I. publizierte „Tractatus de juribus incorporalibus“ zur Beruhigung der Gemüter bei, obgleich er wenig Auswirkungen auf die Lebensrealität der breiten Bevölkerungsschichten gehabt haben dürfte. Dieser Tractatus stellte die Kodifikation des Rechtsverhältnisses zwischen Grundherren und Untertanen dar und sah Besserstellungen für die Bauern vor.

Als der Schrecken der Pest nachzulassen begann, bahnte sich die nächste Katstrophe an, als Großwesir Kara Mustapha Pascha ein Heer von über 100.000 Mann vor Wien führte. Das Kriegsgeschehen hielt ganz Mitteleuropa in Atem. Die Übergänge über den Semmering und den Wechsel wurden zur Abwehr osmanischer Streifscharen befestigt. Die Belagerung Wiens, in deren Verlauf es zu schweren Verwüstungen im heutigen Niederösterreich und Burgenland kam, endete nach zwei Monaten am 12. September 1683. Die nachfolgende Offensive der kaiserlichen Truppen verlief überaus erfolgreich. Für die Habsburgermonarchie begannen Jahrzehnte der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte.

Die Karlskirche in Wien wurde bekanntlich von Kaiser Karl VI. aus Dank für das Erlöschen der letzten großen Pestwelle in Wien 1713 errichtet. An vielen Orten schuf man Pestsäulen.

Nach 1713 trat die Pest in der Habsburgermonarchie nicht wieder auf. Man hatte aus den Erfahrungen gelernt und traf entsprechende Vorkehrungen, wenn die Seuche im Osmanischen Reich weiterhin immer wieder große Opfer forderte.

Mit dem Friedensschluss von Passarowitz, 1718, normalisierten sich nach Jahrhunderten der Gegnerschaft und der Kriege die Beziehungen zwischen den Nachbarn. Jeder der Gesandtschaftsberichte, die regelmäßig von Konstantinopel nach Wien gingen, enthielt auch Nachrichten über die Gesundheitsverhältnisse. Mit dem zunehmenden Personen- und Warenverkehr stieg das Seuchenrisiko im Habsburgerreich, das Grenzübertrittstellen einrichtete und Reisende zu einer befristeten Quarantäne in „Kontumazstationen“ zwang, in denen auch die mitgeführten Waren untersucht und desinfiziert wurden.

In Pestzeiten erhöhte man den Grenzschutz und riegelte die mehr als 1.000 km lange Grenze ab. Soldaten wurden auf Sichtweite positioniert, mussten rund um die Uhr jeglichen Grenzübertritt verhindern und hatten Schießbefehl. Fallweise waren an diesem „Pestkordon“ nicht weniger als 20.000 Soldaten im Einsatz.

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